
„Im Prinzip Familie“ sorgt für volle Kinosäle und intensive Diskussionen im Filmpalast Iserlohn
Iserlohn. Große Aufmerksamkeit für ein oft wenig sichtbares Thema: Im Rahmen der Woche der Erziehungshilfe luden die Evangelische Jugendhilfe Iserlohn-Hagen (EJH) und das Friederike-Fliedner Berufskolleg (FFBK), beide Tochtergesellschaften der Diakonie Mark-Ruhr, gemeinsam mit dem Jugendamt der Stadt Iserlohn am Donnerstag, 4. September, in den Filmpalast Iserlohn ein. Dort stand das Arbeitsfeld erzieherischer Hilfen einen ganzen Tag lang im Mittelpunkt. Rund 600 Gäste füllten die beiden Vorführungen am Vor- und Nachmittag – ein starkes Zeichen für das große Interesse am Thema.
Gezeigt wurde der vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilm „Im Prinzip Familie“ von Regisseur Daniel Abma. Er gibt intime und berührende Einblicke in den Alltag einer Wohngruppe, in Kinder im Alter von 7 bis 14 Jahren leben und von Erzieher:innen begleitet werden. Mit viel Nähe zeigt der Film würdevoll, was es bedeutet, Kindern Geborgenheit, Halt und ein Stück „Familie“ zu geben – und macht sichtbar, wie herausfordernd und zugleich unverzichtbar die Arbeit der Fachkräfte in der Jugendhilfe ist.
Bereits am Vormittag war der große Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, als Schüler:innen der Iserlohner Gymnasien sowie Auszubildende des Friederike-Fliedner Berufskollegs, des Berufskollegs des Märkischen Kreises aus Iserlohn (Hansaallee) und des Hönne Berufskollegs in Menden den Film gemeinsam sahen. Bürgermeister und Schirmherr Michael Joithe begrüßte an beiden Terminen die anwesenden Gäste und zeigte sich tief beeindruckt vom Film. Am Vormittag verschob er dafür sogar kurzfristig seine Termine, da er den Film als so sehenswert empfand. Gemeinsam mit Moderator André Garnefeld, Schüler am FFBK, hieß er die jungen Besucher:innen im ersten Durchgang willkommen. Moderator André Garnefeld machte gleich zu Beginn der Diskussion deutlich: „Diese Kinder haben keine Lobby und brauchen Menschen wie Euch oder mich, die es gut mit ihnen meinen.“
Im Anschluss an die erste Filmvorführung diskutierten junge Menschen und Fachkräfte über Eindrücke aus dem Film und über die Realität in der stationären Jugendhilfe. „Das ist unser Alltag“, brachte es Sabrina Tharra, Gruppenleiterin der Inobhutnahme Märkischer Kreis bei der Ev. Jugendhilfe Iserlohn-Hagen, auf den Punkt. Ihr Kollege Jan Weimann ergänzte: „Auf die Frage: ‚Was machst du eigentlich beruflich?‘ kann ich jetzt sagen: ‚Schau dir den Film an.‘“
Deutlich wurde in der Gesprächsrunde auch, welche persönlichen und fachlichen Kompetenzen in diesem Arbeitsfeld gefragt sind. Offenheit, Neugier und Wertfreiheit, aber auch die Bereitschaft, sich selbst und die eigene Haltung immer wieder kritisch zu reflektieren, seien unverzichtbar. Ebenso wichtig sei es, „Bock auf den Job und die Kinder und Jugendlichen“ zu haben – denn die spüren sofort, ob ein Gegenüber authentisch ist. Ein Fazit der Diskussion: Die Jugendhilfe braucht mehr Sichtbarkeit. Es gelte, Hemmschwellen und Vorurteile abzubauen.
Am Nachmittag und Abend wurde die Veranstaltung mit einer weiteren Filmvorführung und einer prominent besetzten Podiumsdiskussion fortgesetzt. Neben Vertreter:innen der öffentlichen und freien Jugendhilfe nahmen zahlreiche Kooperationspartner:innen teil. Besonderes Highlight war der persönliche Auftritt von Regisseur Daniel Abma. Direkt nach der Vorführung stellte er sich den Fragen der Fachkräfte und gab in der abendlichen Diskussionsrunde vertiefte Einblicke in die Entstehungsgeschichte des Films. Rund fünf Jahre Vorbereitungszeit waren notwendig, ehe der Film 2024 innerhalb eines Jahres abgedreht werden konnte. Abma schilderte, wie viel Überzeugungsarbeit bei Sorgeberechtigten, Mitarbeitenden der Wohngruppen und Jugendämtern erforderlich war, um das Leben von Kindern in der Wohngruppe so nahbar und zugleich würdevoll filmisch begleiten zu dürfen. „Durch die Arbeit an dem Film ist meine Hochachtung vor der Arbeit der Fachkräfte noch einmal gestiegen“, erklärte der 47-jährige ausgebildete Grundschullehrer.
Er hob die gesellschaftliche Relevanz der Erziehungs- und Beziehungsarbeit hervor, die inzwischen als systemrelevant gilt – eine Erkenntnis, die sich für ihn besonders in der Zeit der Coronapandemie bestätigt habe: „Wenn die Erzieher nicht da sind, ist niemand da für die Kinder.“ Mit Blick auf die Zukunft betonte Abma, dass der Film am besten im Landtag gezeigt werden soll, um Politiker:innen vor Augen zu führen, was in diesem Berufsfeld mit den engen vorhandenen finanziellen Mitteln geleistet wird. Dafür erhielt er starken Applaus aus dem Publikum – wohl auch vor dem Hintergrund aktuell diskutierter politischer Einsparungen im sozialen Bereich.
Organisationsteam und Gäste zeigten sich begeistert von der Resonanz, dem berührenden, authentischen und eindringlichen Film, dem persönlichen Engagement von Daniel Abma sowie den vielen Fragen und intensiven Diskussionen.
Ein herzliches Dankeschön geht an die Goldbäckerei Grote für die kleinen Snacks, das Team des Filmpalastes Iserlohn und die Schüler:innen des FFBK für ihr Engagement bei der Snack- und Getränkeausgabe.
Bildzeile: Rund 600 Gäste begrüßten die Ev. Jugendhilfe Iserlohn-Hagen, das Friederike-Fliedner Berufskolleg sowie das Jugendamt der Stadt Iserlohn zu einem besonderen Veranstaltungstag im Rahmen der Woche der Erziehungshilfe im Filmpalast Iserlohn.


